Anneliese Cohn wurde am 23. April 1919 in Rheda – in der Nähe von Gütersloh – geboren. Ihre Familie war jüdischen Glaubens. Sie hatte einen älteren Bruder, Siegfried, und eine ältere Schwester, Edith. Im Alter von acht Jahren starb ihr Vater, Hugo Cohn. Ihre Mutter, Rosalie Cohn, heiratete danach erneut und zog mit ihrem Mann nach Wuppertal.
Anneliese hatte eine geistige Behinderung wegen der sie im März 1929 in die Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein kam. Die ursprünglich interkonfessionelle Einrichtung bot jüdischen Kindern und Jugendlichen eine Unterbringung an, die jüdische Religionsvorschriften berücksichtigte. So gab es beispielsweise eine Verpflegung mit koscherem Essen.
Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen und der Kalmenhof „gleichgeschaltet“ – also nach nationalsozialistischen Vorstellungen ausgerichtet wurde –, änderte sich dies grundlegend. In den darauffolgenden Jahren verließen immer mehr jüdische Zöglinge die Einrichtung.
Anneliese blieb bis zum 18. September 1935 auf dem Kalmenhof. Sie wurde als „gebessert“ in das Erziehungsheim Beelitz verlegt. Dieses Erziehungsheim war 1908 als jüdische Einrichtung gegründet worden. Träger war der Deutsch-Israelitische Gemeindebund – eine überregionale Dachorganisation jüdischer Gemeinden – in Berlin. Genau wie der Kalmenhof diente die Einrichtung der Unterbringung, Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen.
Wie lange Anneliese dort blieb, ist unklar. Irgendwann kam sie zurück zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater nach Wuppertal. Von Wuppertal aus wurden die drei am 24. Oktober 1941 über Düsseldorf in das Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert. Im Januar 1942 begannen dort die ersten Verlegungen in das 70 Kilometer entfernte Vernichtungslager Chełmno/Kulmhof. Anneliese Cohn wurde am 11. September 1942 dorthin deportiert. Sie wurde am nächsten Tag im Alter von 23 Jahren in einem Gaswagen ermordet. Von ihrer Familie überlebte nur der älteste Bruder Siegfried.
Quelle: Aufnahmebuch 01.01.1934-30.11.1938, LWV-Archiv Bestand B 81 Nr. 189, Stadt Rheda-Wiedenbrück (Hg.): Stolpersteine Rheda-Wiedenbrück, Rheda-Wiedenbrück 2018.