Nachdem die Heilerziehungsanstalt Kalmenhof im Jahr 1933 als erste Einrichtung im ehemaligen Einzugsgebiet des Bezirksverbandes Nassau gleichgeschaltet wurde, war von den fortschrittspädagogischen Ambitionen der Gründergeneration und auch des gewaltsam abgesetzten Leiters, Dr. Emil Spornhauer, nichts mehr zu erkennen.
Der Vereinsvorstand verließ im Sommer 1933 aus Protest seine Posten. Die Vereinsspitze wurde vom Bezirksverband besetzt und der Direktorenposten dem NSDAP-Parteimitglied Ernst Müller übergeben.
Wo zuvor die Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung im Vordergrund gestanden hatte, bestimmten nun die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, starke Sparmaßnahmen, hohe Belegungszahlen und eine unzureichende Betreuung das Leben auf dem Kalmenhof. Die Anstalt wurde nach nationalsozialistischen Vorstellungen ausgerichtet – und warb öffentlich mit den erzielten „Erfolgen“. Viele „Zöglinge“ wurden ab 1934 Opfer von durchgeführten Zwangssterilisationen. Die Anstaltsleitung stellte einen Antrag auf Unfruchtbarmachung. Die Fälle wurden dann vor einem „Erbgesundheitsgericht“ verhandelt, das in den meisten Fällen den Begründungen des Anstaltsarztes folgte und eine Sterilisation beschloss.
Ab 1937 übernahm Fritz Bernotat, der spätere Bezirksdezernent des Anstaltswesens im Bezirksverband Nassau und entschiedene Befürworter der „Euthanasie“, die Vereinsführung des Kalmenhofs. Die Situation für die „Zöglinge“ verschlechterte sich ab diesem Zeitpunkt weiter. In der Betriebsordnung von 1937 hieß es passend: „Die vornehmste Aufgabe des Betriebes ist es, so zu wirtschaften, daß die Aufwendungen des nationalsozialistischen Staates für die Fortpflanzung nicht geeigneter Volksgenossen auf ein Mindestmaß gesenkt werden können. Das ist bei stärkster Belegung und größter Sparsamkeit in allen Häusern möglich.“