Am 2. Dezember 1943, kam Nikolaus Christmann zusammen mit 29 weiteren Kindern aus der „Rheinischen Landesklinik für Jugendpsychiatrie Bonn“ mit einem Sammeltransport nach Idstein auf den Kalmenhof. Beinahe alle wurden während der folgenden Monate ermordet, die Mehrzahl starb innerhalb weniger Wochen. Vermutlich überlebte nur ein einziges Kind des Transports die „Euthanasie“ auf dem Kalmenhof.
Nikolaus Christmann wurde am 7. Januar 1935 in Trier geboren. Nach einem Treppensturz mit einer schweren Gehirnerschütterung im Alter von drei Jahren verlernte er das Sprechen. Sein Vater sagte später, dass sein Sohn seitdem kognitiv beeinträchtigt gewesen sei. Nach zwei Jahren Anstaltspflege in Bonn wurde Nikolaus dann an jenem 2. Dezember 1943 ohne jegliche Rücksprache mit dem Vater nach Idstein verlegt. Der Familie wurde mitgeteilt, dass sich Nikolaus auf dem Weg nach Idstein „wahrscheinlich eine Erkältung zugezogen habe“. Besuchen durften sie ihn aber nicht. Nur einen Monat später folgte die Todesnachricht, zwei Tage vor Nikolaus zehntem Geburtstag. Angeblich sei er an einer „Nierenbeckenvereiterung“ gestorben. Tatsächlich hatte man ihn auf dem Kalmenhof ermordet.
Sein Vater reiste daraufhin umgehend nach Idstein. Der plötzliche Tod seines Kindes kam ihm seltsam vor. Der Besuch bestätigte seine Vermutung, dass man Nikolaus etwas angetan hatte. Er war auch wütend darüber, dass er sein Kind nicht in Bonn beisetzen konnte, sondern auf dem Anstaltsfriedhof beerdigen lassen musste: „Denn der Friedhof dort spottet jeder Beschreibung und schlägt jedem menschlichen Empfinden ins Gesicht.“ Weiteren Kontakt zur Anstalt hatte er nach der Beerdigung seines Kindes nicht mehr. Erst während der späteren Verhandlungen zu den Verbrechen auf dem Kalmenhof wurde er befragt und gab Auskunft über das, was er in Idstein erlebt und gesehen hatte.
Quellen:
Prozessaussage, HHStAW, Bestand 461 Nr. 31526/4.
Linda Orth, Die Transportkinder aus Bonn. „Kindereuthanasie“, Köln 1989.
Foto: Die Fotografie zeigt das Krankenhausgebäude, um 1930. LWV-Archiv, F 81, Nr. 693.